201602.11.

Digitaler Wandel, Wirtschaft und Recht – Ein erster Einblick in das Grünbuch „Digitale Plattformen“ des BMWi

Der digitale Wandel in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) veranlasst, einen „Zukunftsplan“ für die Digitalisierung in Deutschland auf den Weg zu bringen. Es sollen Strategien entwickelt werden, wie der Ausbau von Infrastrukturen und die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren vorangetrieben werden sollen.

Dies alles läuft unter dem Begriff der „Digitalen Strategie 2025“. Das hierzu vom BMWi herausgegebene Manuskript kann hier nachgelesen werden. Als Teil der digitalen Strategie 2025 hat das BMWi das Grünbuch „Digitale Plattformen“ herausgebracht. Dieses soll als Grundlage für einen gesamtgesellschaftlichen Diskussions- und Konsultationsprozess dienen, an dessen Ende Anfang 2017 ein Weißbuch mit konkreten politischen Positionen stehen wird.

Wie der Titel bereits sagt geht es in dem Grünbuch um digitale Plattformen bzw. Online-Plattformen, genauer definiert als internetbasierte Dienste, die durch Aggregation, Selektion und Präsentation Aufmerksamkeit für Inhalte erzeugen. Diese Dienste sammeln bekanntermaßen Daten und nutzen diese. Inwieweit die Digitalisierung und Datennutzung die Märkte verändert und bestehende Geschäftsmodelle infrage stellt, ist ein erster Gesichtspunkt, unter dem Strategien für die Zukunft entwickelt werden sollen. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob Unternehmen, die auf einem gemeinsamen Markt, aber in Form unterschiedlicher Geschäftsmodelle (analog, digital, hybrid) tätig sind, einheitlich reguliert werden und ob die Regulierung in ihrer derzeitigen Form noch zeitgemäß ist.

Von der datengetriebenen Wirtschaft profitieren bislang vor allem Unternehmen außerhalb der Europäischen Union Dennoch ist in Deutschland die Zahl der Hightech-Gründungen von 1995 bis 2015 um mehr als 40 Prozent zurückgegangen.

Weiter soll es in der Debatte auch darum gehen, den Unternehmergeist und die Innovationskraft in Deutschland zu fördern. Neue Geschäftsmodelle sollen nicht durch strenge Regulierungsregeln im Keim erstickt werden. Das BMWi wirft an dieser Stelle die Frage auf, ob Experimentierklauseln und Ausnahmeregelungen erforderlich sind. Nach Ansicht des Verfassers stellt dies eine der wichtigsten Herausforderungen hinsichtlich der Wirtschaft in Deutschland dar, auch und gerade im Bereich der Digitalisierung. Während es in anderen Ländern, vor allem in den USA, zum Alltäglichen gehört, mit neuen Ideen an den Markt zu gehen, fehlt es in Deutschland noch an dieser „Experimentierfreudigkeit“. Dies liegt nicht zuletzt an den hohen Hürden und Risiken, die den Unternehmern durch rechtliche Gegebenheiten auferlegt werden. Der Erfindergeist, die fachlichen und technischen Fähigkeiten und das Knowhow sind in Deutschland, oftmals auf hohem Niveau, vorhanden, jedoch fehlt es hierzulande an den Möglichkeiten und dadurch der Bereitschaft, auch den nächsten Schritt zu gehen. Dies hat oftmals zur Folge, dass kluge Köpfe samt ihren Ideen ins Ausland gehen und innovative Geschäftsmodelle von dort aus den Markt erobern. Hier besteht auf politischer Seite dringender Handlungsbedarf.

Deutschland ist eine starke Wirtschaftsnation, die ihre Flagge dringend auf Zukunft setzen muss. Die Digitalisierung gehört dazu. Plattformmodelle werden heutige Geschäftsmodelle ablösen und klassische Wohlstandsindustrien in Bedrängnis bringen, wenn diese nicht umdenken.

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist der der Datenökonomie. Wie nie zuvor werden heute Daten gesammelt, verarbeitet und für neue Geschäftsmodelle genutzt. Dies gibt einerseits der Frage nach Datensicherheit zunehmendes Gewicht, andererseits soll neuen Geschäftsmodellen nicht durch datenschutzrechtliche Aspekte von vornherein der Weg zu wirtschaftlicher Nutzbarmachung abgeschnitten werden. Daher wirft auch das BMWi die Frage auf, wie sichergestellt werden kann, dass der wirtschaftliche Wert von Daten genutzt werden kann, ohne dabei individuelle Rechte zu verletzen.

Auch ist danach zu fragen, ob den Nutzern von Online-Diensten die Sensibilität ihrer eigenen Daten überhaupt klar ist, oder ob insoweit Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Denn die nach dem Datenschutzrecht erforderliche Einwilligung der Nutzer in die Verwendung der eigenen Daten verliert ihren Sinn, wenn den Nutzern das Wissen um die Bedeutung und die möglichen Folgen fremder Nutzung der Daten fehlt. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach Transparenz aufzuwerfen. Da Plattformbetreiber und Nutzer regelmäßig Verträge abschließen, stellt sich die Frage, welche Informationen von den Betreibern zu veröffentlichen sind, um den Nutzer in eine annähernd „gleich informierte“ Position zu versetzen. Oder anders gefragt: Wenn das Unternehmen unzählige Daten und damit Informationen über den Nutzer erhält, welche Informationen soll dann der Nutzer über die Verwendung der Daten durch das Unternehmen erhalten?

Als Folge der Möglichkeit Daten zu sammeln und zu verwerten haben sich in den letzten Jahren Plattformen und Netzwerke herausgebildet, die heute eine monopolähnliche Stellung  innehaben. Auch in der digitalen Marktwirtschaft soll dabei der Wettbewerb fair bleiben und dadurch Wachstum und Innovation gesichert werden. Ob und inwieweit es hier neuer Regelungen bedarf soll ebenfalls Gegenstand der Debatte sein. Interessant ist hier auch die Frage nach personalisierten Preisen.

Dazu die These des BMWi:

Plattformen können aufgrund der verfügbaren Daten über den konkreten Nutzer oder das von ihm verwendete Endgerät für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen personalisierte Preise berechnen und verlangen. Dieser Informationsvorsprung des Anbieters gegenüber dem einzelnen Nutzer ist eine unangemessene Bevorzugung des Anbieters und diskriminiert die unterschiedlichen Nutzerinnen und Nutzer. Deshalb müssen Anbieter diese Praktik und die Preisbildungskriterien transparent machen.

Es wird daher zu diskutieren sein, ob solche Preisdifferenzierungen zulässig und welche Regelungen dazu erforderlich sind.

Ein wesentlicher Aspekt der Debatte ist daher, ein Gleichgewicht zwischen Datenschutz einerseits und der umfassenden Nutzung von anonymisierten Daten zu unternehmerischen, sozialen und wissenschaftlichen Zwecken andererseits herzustellen. Ein erster Schritt zur Modernisierung des Datenschutzrechts wird die ab Mai 2018 in Kraft tretende Datenschutz-Grundverordnung sein, in der sich  EU-weit einheitliche Regelungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten finden.

Klassische Dienste, wie Festnetztelefonie oder SMS, und neue Dienste, wie Internettelefonie, Video-on-Demand oder Messenger-Dienste, stehen zum Teil im direkten Wettbewerb. Der geltende Rechtsrahmen erfasst jedoch zweifelsfrei nur die „klassischen Telekommunikationsdienste”.

Das BMWi hat am 16.09.2016 den Zwischenspeicher über den Stand der Diskussion zum Grünbuch Digitale Plattformen veröffentlicht. Mit der Publikation gibt das BMWi einen Einblick in die vielfältigen Beiträge, Anmerkungen und weiterführenden Fragen, die der breite Konsultationsprozess bisher erbracht hat. Hier finden sich Meinungen, Zitate und Statistiken rund um die vom BMWi aufgeworfenen und oben angerissenen Thesen, wie etwa:

Aktuell liegt der weltweite Umsatz mit Big-Data-Lösungen bei etwa 27 Milliarden US-Dollar, in zehn Jahren wird sich dieser Wert annähernd vervierfacht haben.

RA Sebastian Schwiering
Rechtsreferendarin Anna Schwingenheuer