201721.07.

Datenschutz im Verein: Herausgabe der Mitgliederliste an Vereinsmitglied

Die unmittelbare Kommunikation der Vereinsmitglieder untereinander ist ein elementarer Bestandteil des Vereinswesens und ein zwingend erforderliches Instrument zur Förderung eines meinungsbildenden Diskurses innerhalb des Vereins. Das Interesse der Vereinsmitglieder an der Kommunikation mit anderen Vereinsmitgliedern kann hierbei jedoch mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der anderen Mitglieder kollidieren.

Vereinsmitglieder müssen sich dennoch nicht auf die bloße Übermittlung ihrer Anliegen durch die entsprechenden Organe des Vereins beschränken lassen. Vielmehr sind die Vereine verpflichtet, die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu anderen Vereinsmitgliedern zu schaffen. Dies kann geschehen, indem die erforderlichen Kontaktdaten den Vereinsmitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Dabei muss letztlich die freie Auswahl der Kommunikationsmittel durch die Vereinsmitglieder gewahrt bleiben, da einzig diesen die Entscheidung obliegt, welches Mittel die Kommunikation am zielführendsten gewährleistet.

Die Rechtsprechung verortet bei den einzelnen Vereinsmitgliedern nicht nur den Anspruch gegen den Verein auf die Übermittlung von Anschriften, sondern auch zur Übermittlung von Geburtsdaten, Berufsangaben bzw. Branchen- oder Geschäftsbezeichnungen. Die Übermittlung solcher Daten berühre keine besonderen Belange der Mitglieder und des Vereins, wenn die Vereinsmitglieder in freier Entscheidung über den Eintritt in oder den Austritt aus dem Verein entscheiden können. Die Auskunft ist keineswegs daran gebunden, dass ein Mitglied ausdrücklich der Weitergabe zugestimmt hat. Bereits durch Eintritt einer Person in einen Verein entsteht ein berechtigtes Interesse anderer Vereinsmitglieder, unmittelbar mit dieser beitretenden Person in Kontakt zu treten – ohne einen Umweg über den Vorstand des Vereins.

Insbesondere bei einer großen Mitgliederzahl, bei der sich die wenigsten Mitglieder persönlich kennen, ist die weitere Darlegung des erforderlichen berechtigten Interesses „entbehrlich“. Denn nur bei Vorliegen der Mitgliederkontaktdaten ist die Möglichkeit zum erforderlichen Austausch unter den Mitgliedern überhaupt erst eröffnet. Eine aktive Betätigung eines Mitglieds im Verein bestätigt dessen Anspruch auf Übermittlung der Mitgliederkontaktdaten – und damit denknotwendig auch auf die Speicherung dieser Daten.

Im Einzelnen

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer Datenverarbeitung bestimmt sich nach dem im Datenschutzrecht vorherrschenden Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Nach § 4 BDSG und den entsprechenden Normen spezialgesetzlicher Datenschutzregelungen sind grundsätzlich alle datenrelevanten Maßnahmen rechtswidrig, es sei denn, ein gesetzlich normierter Erlaubnistatbestand oder die Einwilligung des Betroffenen rechtfertigen sie.

Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszweckedie zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Entsprechendes gilt nach § 28 Abs. 2 Nr. 2a BDSG auch hinsichtlich der Übermittlung oder Nutzung für einen anderen Zweck.

Das Merkmal „berechtigtes Interesse“ umschreibt das Spannungsverhältnis zwischen der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen und dem Informationsbedarf Dritter.[1] Die berechtigten Interessen können dabei sowohl wirtschaftlicher als auch ideeller Natur sein.[2]

Ob und in welchem Umfang ein berechtigtes Interesse besteht, ergibt sich aus dem Vereinsrecht. Als berechtigtes Interesse könnte beispielsweise die beabsichtigte Verfolgung vereinspolitischer Ziele anzusehen sein. Dieses Interesse ist ideeller Natur, es ergibt sich aus dem Wesen des Vereins. Die vereinsrechtlichen Aspekte sind im Rahmen der datenschutzrechtlich vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 28 BDSG maßgeblich.

Diese Interessenabwägung wurde im Vereinsrecht durch die Rechtsprechung bereits umfangreich erörtert. Es hat sich eine eindeutige Rechtsprechung ergeben, die ein berechtigtes Interesse eines Vereinsmitglieds an Kenntnis von Namen und Anschriften der übrigen Mitglieder ausdrücklich bestätigt.

Die Rechtsprechung

Hierzu urteilte zunächst das Oberlandesgericht München folgendermaßen:

OLG München, Urteil vom 15. November 1990 – 19 U 3483/90

Das Wesensmerkmal eines Vereins (ebenso wie einer Gesellschaft), der auf eine gewisse Dauer angelegte Zusammenschluss von Personen zur Verwirklichung eines gemeinsamen Zweckes (vgl. Palandt, BGB, 48. Aufl., Einf. 7 vor § 21), bedingt ein grundsätzliches Interesse der Mitglieder, auch unmittelbar miteinander in Verbindung treten zu können. Wie schon vom Erstgericht dargestellt wurde, wird ein solches Bedürfnis nach Kontaktnahme insbesondere auch durch das vom Kläger konkret in Anspruch genommene, aus dem Mitverwaltungsrecht der Mitglieder fließende Minderheitenrecht, eine Einberufung der Mitgliederversammlung nach § 37 BGB zu erzwingen, bestimmt. Eine Folge der personenrechtlichen Art der zum Verein durch die Aufnahme als Mitglied geschaffenen Beziehung muss es sein, dem grundsätzlichen Anliegen des einzelnen Mitglieds, sich auch an andere Mitglieder wenden zu können, den vorhandenen Umständen entsprechend Rechnung zu tragen, das heißt im Falle der Existenz einer Mitgliederliste die Möglichkeit zuzulassen, dass das Mitglied diese nützt, um sich die Kenntnis darüber zu beschaffen, an welche weiteren Mitglieder es wegen vereinsrechtlicher Belange herantreten könnte. Deshalb wird auch nach heute herrschender Auffassung die Verpflichtung eines Vereins, einer Gesellschaft oder Genossenschaft, dem Mitglied Einsicht in auskunftsgewährende Unterlagen zu verschaffen, grundsätzlich bejaht (vgl. die vom Beklagten angeführten Zitate: Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., Rdnr. 17 zu § 38 für das Vereinsrecht; Schopp GmbHR 1976, 129 und Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG, 15. Aufl., Rdnr. 13 sowie Scholz/Karsten/Schmidt GmbHG, 7. Aufl., Rdnr. 25, je zu § 50 für das GmbH-Recht; Lang/Weidmüller/Metz GenG, 32. Aufl., § 18, Rdnr. 8 und § 45 Rdnr. 7 für das Genossenschaftsrecht).

Zu Unrecht verweist der Beklagte den Kläger auf sein Angebot, ihm, wie jedem anderen Mitglied auch, jederzeit Auskunft über die Anzahl der Mitglieder zu geben, sein Anliegen in der Mitgliederzeitung zu veröffentlichen oder etwaige persönliche Schreiben den übrigen Mitgliedern zuzuleiten, weil, wie vom Erstgericht schon dargetan, damit dem Kläger Auswahlmöglichkeiten genommen würden. Auch muß es ihm überlassen bleiben, auf welchem Weg und in welcher Weise er mit anderen Mitgliedern in Verbindung treten will. Weder ist es die Sache des Klägers noch war es – wie der Beklagte meint – die des Erstgerichts, Angaben bzw. Ausführungen darüber zu machen, wie die Auswahl erfolgen solle, und ob etwaige in der Mitgliederliste enthaltene Daten genügten, um eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Eine Überprüfung, ob und inwieweit dem Verlangen des Mitglieds auch auf einem anderen Wege als dem der Einsichtnahme entsprochen werden kann, braucht, wenn es – wie hier – lediglich um eine Mitgliederauflistung geht, nicht vorgenommen zu werden. Das Klagebegehren “Einsicht in die Mitgliederliste des Beklagten” ist lediglich auf Kenntnisnahme von einer Aufstellung der durch Namen, Anschriften, Geburtsdaten, Berufsangaben bzw. Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, identifizierten Vereinsmitglieder gerichtet und berührt keine besonderen Belange der Mitglieder und des Vereins, wie dies etwa bei Einsichtnahme in sonstige und weitere Angaben enthaltenden Urkunden oder Bücher der Fall sein könnte (vgl. hierzu Palandt, Anm. 1 zu § 38 BGB). Als “berechtigtes Interesse” (Palandt a.a.O.; Sauter/Schweyer Der eingetragene Verein, 14. Aufl., Rdnr. 336) reicht vorliegend schon das grundsätzliche Interesse an der Möglichkeit zur Kontaktaufnahme aus. Ausreichende Hinweise dafür, daß es dem Kläger, wie der Beklagte behauptet, nicht um ein ernsthaftes und berechtigtes Anliegen, etwa um die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, sondern ausschließlich um die Klärung einer Rechtsfrage ginge, sein Begehren also rechtsmißbräuchlich wäre, sind nicht gegeben. Auch mußte der Kläger nicht etwa, wie der Beklagte geltend macht, konkret dartun, daß die Voraussetzungen für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung vorliegen und welchen Antrag er in diesem Zusammenhang stellen möchte; gerade auch ein berechtigtes Anliegen des Klägers wäre es, sich durch die von ihm gewünschte Kontaktnahme mit anderen Mitgliedern Erkenntnisse für eine Beurteilung zu verschaffen, ob man eine außerordentliche Mitgliederversammlung für geboten erachte.

Diese Entscheidung legte den Grundstein der Rechtsprechung und ihr folgten dann, ausdrücklich bestätigend, sämtliche Gerichte, die sich mit dieser Thematik befasst haben. Gefolgt sind dieser Entscheidung diverse Landgerichte, Oberlandesgerichte bis hin zum Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht. Letzteres befasste sich unmittelbar im Anschluss mit diesem Urteil und entschied folgendermaßen:

BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.Februar 1991 – 1 BvR 185/91

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, aus BGB § 37 ein berechtigtes Interesse auf Einsicht in die Mitgliederliste eines Vereins mit dem Ziel der Kontaktaufnahme mit anderen Vereinsmitgliedern zur Erörterung vereinsrechtlicher Belange herzuleiten und dabei eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange eines Vereinsmitglieds nicht schon wegen der hypothetischen Möglichkeit des Missbrauchs der Einsicht in die Mitgliederliste anzunehmen.

Sodann folgte:

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 05.10.1998 – 21 ZE 98.2707

Während bei privatrechtlichen Vereinen dieser Informationsanspruch der Mitglieder darauf beruht, daß sich der einzelne freiwillig dem Verein angeschlossen hat und damit mit den anderen Mitgliedern in eine gewollte Rechtsgemeinschaft eingetreten ist, die von ihm auch fordert, daß er den anderen Mitgliedern bei berechtigtem Interesse derselben den Kontakt mit ihm durch Angabe seiner Personalien ermöglicht (vgl. insbesondere Sauter/Schweyer a.a.O.), beruht die Mitgliedschaft bei der hier betroffenen Zwangskörperschaft allein auf einem gesetzlichen Gebot (Art. 43 Abs. 2 BayHKaG), dem sich kein Zahnarzt entziehen kann. Mangels irgendeiner freiwillig gewollten vertraglichen Bindung zu den anderen Mitgliedern schuldet das Zwangsmitglied diesen daher nicht die Preisgabe seiner persönlichen Daten.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah nur dann einen Grund, die Adressübermittlung zu verweigern, wenn es sich um eine Zwangskörperschaft öffentlich-rechtlicher Natur handelt. Für privatrechtliche Vereine dagegen bestätigte er den Informationsanspruch dagegen als selbstverständlich. Genau diese Unterscheidung wird vom OLG Saarbrücken weiter ausgeführt:

OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.04.2008, Az.: 1 U 450/07-142

Die Begründetheit des Begehrens des Klägers folgt aus einem mitgliedschaftlichen Informationsanspruch, der sich aus den allgemeinen vereinsrechtlichen Grundsätzen ableiten lässt. Das privatrechtliche Vereinsrecht gibt den Mitgliedern von Vereinen einen durchsetzbaren Anspruch auf Einsicht in die Mitgliederlisten und Herausgabe einer Abschrift mit deren Anschriften (vgl. Bayerischer VGH München, Beschluss vom 5.10.1998 Az.: 21 ZE 98.2707; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrecht, a.a.O., Rz. 7; Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 15. Aufl., Rz. 336). Der Anspruch beruht darauf, dass sich der Einzelne bei privatrechtlichen Vereinen freiwillig dem Verein angeschlossen hat und damit mit den anderen Mitgliedern in eine gewollte Rechtsgemeinschaft eingetreten ist, die von ihm auch fordert, dass er den anderen Mitgliedern bei berechtigtem Interesse derselben den Kontakt mit ihm durch Angabe seiner Personalien ermöglicht (Bayerischer VGH München a.a.O.). Ganz im Gegenteil zu dem Zwangsmitglied in einer Zwangskörperschaft, das den anderen Mitgliedern nicht die Preisgabe persönlicher Daten schuldet. Fraglos verfügt der beklagte Verband auch über eine entsprechende Mitgliederliste, was von ihm nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt wird. Welche Anforderungen im Einzelnen an das „berechtigte Interesse“ des Mitglieds zu stellen sind, kann dabei im Streitfall ersichtlich dahinstehen. Nach der Kommentierung bei Sauter/Schweyer (a.a.O., Rz. 336 ff.) muss die Einsicht in die Mitgliederliste bei größeren Vereinen – wie hier – schon deshalb gewährt werden, weil die wenigsten Mitglieder sich persönlich kennen und es ihnen sonst unmöglich würde, von dem Minderheitsrecht nach § 37 BGB Gebrauch zu machen, während Stöber hierzu eine restriktive Auffassung vertritt (Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. Rz. 306). In der Person des Klägers ist ein berechtigtes Interesse an der Aushändigung einer Mitgliederliste zweifelsfrei zu bejahen. Der Kläger beteiligt sich – unstreitig – seit längerem aktiv am Vereinsleben, er wurde in der Vergangenheit u.a. in das Präsidium des Beklagten gewählt und kandidierte im Jahre 2007 für das Amt des Präsidenten. Jedes Mitglied, das sich aktiv am Vereinsleben engagiert, hat ein berechtigtes Interesse daran zu wissen, für wen es sich engagiert und wen es repräsentiert. Ohne Kenntnis der übrigen Mitglieder ist beispielsweise die Organisation einer Opposition gegen die Vereinsführung oder eine vereinsinterne Wahlwerbung nicht möglich, ganz abgesehen von einer erfolgversprechenden Kandidatur für Führungspositionen. Der Senat nimmt im Übrigen ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in diesem Zusammenhang Bezug.

[…]

Das Landgericht hat ebenso zutreffend festgestellt, dass datenschutzrechtliche Gründe im konkreten Fall der Herausgabe der Mitgliederliste ebenfalls nicht entgegenstehen (Reichert, a. a. O., Rz. 1183, 2570). Zur Durchsetzung des Minderheitsschutzrecht nach § 37 BGB muss der Verein Mitgliederlisten preisgeben (vgl. auch OLG München, Urteil vom 15.11.1990 – 19 U 3483/90; Weichert DUD 1994, 200 ff.). Die Datenweitergabe im Vorfeld vereinsinterner Wahlen stellt aus demokratischen Gründen einen rechtlich besonders geschützten Zweck dar, dem Vorrang gegenüber der informationellen Selbstbestimmung der Mitglieder einzuräumen ist. Soweit von dem beklagten Verband vorgetragen wird, dem Kläger sei angeboten worden, für ihn die entsprechende Mitgliederwerbung zu betreiben (Bl. 222 d. A.), kommt diesem Vorbringen bereits deshalb keine Relevanz zu, weil dem Kläger zuzugeben ist, dass er sich insoweit nicht auf eine Tätigkeit des Vereines verweisen lassen muss.

Dem folgend schreibt das OLG Hamburg:

OLG Hamburg, Urteil vom 27. August 2009, Az. 6 U 38/08

Jedenfalls bei einem großen Verein mit rund 50.000 Mitgliedern hat das einzelne Vereinsmitglied neben dem Recht auf Einsicht in die Mitgliederliste auch einen Anspruch auf deren Übersendung.

[…]

Es besteht kein Grund, dem einzelnen Vereinsmitglied zwar die Einsicht in die Mitgliederliste zu gewähren, aber einen Anspruch auf deren Übersendung zu versagen (so auch OLG Saarbrücken NZG 2008,677, 678; BayVGH, Beschluss vom 05.10.1998, Az. 21 ZE 98.2707, 21 CE 98.2707, Tz. 13 (zit. nach juris); vgl. auch Reichert, aaO, Rn 1183: „ .u.U. auf einen EDV-Ausdruck“). […] Jedenfalls bei einem großen Verein wie dem Beklagten mit rund 50.000 Mitgliedern macht eine bloße Einsichtnahme in die Mitgliederliste wenig Sinn.

Schließlich prüft der BGH die zuvor zitierte Entscheidung des OLG Saarbrücken (Az.: 1 U 450/07-142) im Rahmen der Revision. Nicht nur lässt der BGH die rechtliche Bewertung durch das OLG Saarbrücken unbeanstandet. Der BGH macht sich die Ausführungen des OLG Saarbrücken aus der Vorinstanz sowie die Ausführungen des OLG München (19 U 3483/90) sogar ausdrücklich zu Eigen:

BGH, Beschluss vom 25. Oktober, 2010 – II ZR 219/09

1. Dem Mitglied eines Vereins steht ein Anspruch auf Offenbarung der Namen und Anschriften der Mitglieder des Vereins zu, wenn es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Interesse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen.

2. Ein berechtigtes Interesse eines Vereinsmitglieds, Kenntnis von Namen und Anschriften der übrigen Mitglieder zu erhalten, kann auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 37 BGB bestehen, wenn das Mitglied nach dem Umständen des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise benötigt, um das sich aus seiner Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein wirkungsvoll ausüben zu können (Bestätigung OLG Saarbrücken, 2. April 2008, 1 U 450/07, NZG 2008, 677 und OLG München, 15. November 1990, 19 U 3483/90; Anschluss BVerfG, 18. Februar 1991, 1 BvR 185/91; entgegen AG Bremen, 28. November 2005, 1 C 61/05).

[…]

Abgesehen davon, dass jedenfalls das Internetforum und die Mitgliederzeitung der Kontrolle des Vorstands unterliegen, gegen dessen geänderte Vereinspolitik die Kläger eine Opposition zu organisieren suchen, bieten die den Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehenden vereinsinternen Foren einschließlich des Beirats nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine – einer Kontaktaufnahme mit den übrigen Vereinsmitgliedern über einen Treuhänder gleichwertige – Möglichkeit, in Ausübung ihres Mitgliedschaftsrechts eine repräsentative Anzahl der Mitglieder des Beklagten für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu gewinnen oder das für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erforderliche Quorum zu beschaffen und auf diese Weise Erfolg versprechend auf die vereinsrechtliche Willensbildung Einfluss zu nehmen. Die von den Klägern verfolgte aktive Teilnahme am Vereinsleben bedarf keiner satzungsrechtlichen Rechtfertigung; sie findet ihre Rechtsgrundlage unmittelbar in dem Mitgliedschaftsrecht der Kläger.

Überwiegende, einem Anspruch der Kläger deshalb entgegenstehende Interessen des Beklagten und seiner Mitglieder sind nicht ersichtlich. Den berechtigten Interessen des Vorstands und der Mitglieder des Beklagten wird gerade durch die Einschaltung eines neutralen Treuhänders Rechnung getragen. Die dennoch nicht gänzlich auszuschließende, aber eher hypothetische Möglichkeit eines Missbrauchs der übermittelten Informationen genügt nicht, um den Klägern die zur Wahrnehmung ihres vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts und zur aktiven Teilnahme an der Vereinspolitik benötigten Informationen zu verweigern. Für das von dem Vorstand des Beklagten beanspruchte Recht, die von den Klägern zur Versendung vorgesehenen Mitteilungen vorab zu überprüfen und ihrer Versendung gegebenenfalls zu widersprechen, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dem Beklagten und seinem Vorstand bleibt es überlassen, gegenüber den Vereinsmitgliedern zu den von den Klägern verfassten Mitteilungen nach deren Versendung Stellung zu beziehen und eine Mehrheit der Mitglieder für eine Fortführung ihrer Politik zu gewinnen.

Ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz liegt nicht vor. Soweit die Revision, gestützt auf eine schriftliche Äußerung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz S. – die Zuständigkeit dieser Behörde als Aufsichtsbehörde für den im Vereinsregister der Stadt H. eingetragenen Beklagten mit Sitz in H. (§ 1 Abs. 2 der Satzung) ist freilich nicht ersichtlich (vgl. Gola/ Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 38 Rn. 29) – die Hinzuziehung eines Treuhänders für nicht erforderlich i.S. von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2a BDSG und deshalb für rechtswidrig erachtet, weil die Mitteilungen auch über den Beklagten selbst versandt werden könnten, beruht diese Sichtweise auf einer unzutreffenden zivilrechtlichen Beurteilung des vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts der Kläger. Abgesehen davon sind der Beklagte und seine Mitglieder durch die Einschaltung eines Treuhänders in datenschutzrechtlicher Hinsicht nicht beschwert. Denn es ist den Klägern als Mitgliedern eines Vereins grundsätzlich nicht verwehrt, auch selbst Einsicht in die Mitgliederliste zu nehmen bzw. die Übermittlung der dort enthaltenen Informationen in elektronischer Form an sich selbst zu verlangen (OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677 f.; OLG München, Urteil vom 15. November 1990 – 19 U 3483/90, juris Rn. 6 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1991 – 1 BvR 185/91, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 21. September 2009 – II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 für die BGB-Gesellschaft), sofern sie – wie hier – ein berechtigtes Interesse darlegen und ihrem Interesse nicht überwiegende Interessen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen.

In dem Beschluss des BGH formuliert dieser zwar, dass das berechtigte Interesse „ausnahmsweise“ und „im Einzelfall“ vorliegen „könne“. Weitere Ausführungen dazu, wann ein berechtigtes Interesse anzunehmen sei, unterbleiben aber im Urteil. Stattdessen wird insoweit ausdrücklich auf die Ausführungen des OLG Saarbrücken und des OLG München verwiesen. Jedenfalls dann, wenn die in diesen Entscheidungen benannten Voraussetzungen gegeben seien, sei in jedem Fall ein berechtigtes Interesse anzunehmen.

Auch zuvor hatte sich der BGH schon die rechtlichen Erwägungen des OLG Saarbrücken und des OLG München in dieser Sache zu Eigen gemacht:

BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09

Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich, sondern aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen. Ein solches Interesse ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht, dass nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Es kann jedoch selbstverständlich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 37 BGB zu bejahen sein, wenn aufgrund der Umstände des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise erforderlich sind, um das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung wirkungsvoll ausüben zu können (OLG Saarbrücken aaO; OLG München, Urt. v. 15. November 1990 – 19 U 3483/90 juris Tz. 7).

Datenschutzrechtlich nennenswert ist schließlich das Urteil des Landgerichts Köln vom 27.09.2011, in dem sich das Gericht explizit mit der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung des § 28 BDSG beschäftigte und ein berechtigtes Interesse der Vereinsmitglieder an Kenntnis und Nutzung der Mitgliederdaten bestätigte. Hervorzuheben ist, dass die Entscheidung die Frage nach dem berechtigten Interesse an der Herausgabe der vollständigen Mitgliederliste eines Vereins mit über 50.000 Mitgliedern betraf und die Mitgliederliste sogar besondere personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG enthielt. Dennoch bejahte das LG Köln nach durchgeführter Interessenabwägung das berechtigte Interesse des Vereinsmitglieds an der Herausgabe der Daten zur Verfolgung vereinspolitischer Ziele:

Landgericht Köln, Urteil vom 27.09.2011 – 27 O 142/11:

Der Herausgabe der Daten an den Kläger selbst stehen auch Gesichtspunkte des Datenschutzes nicht entgegen. Solche schützenswerten Belange sind nicht erst dann ausreichend gewahrt, wenn die Herausgabe der Mitgliederliste an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder erfolgt, das Mitglied selbst also keinen Einblick in die Liste erhält. Dementsprechend hält etwa der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit im „Faltblatt zum Datenschutz im Verein“, herausgegeben von den Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Stand: Februar 2002, die Herausgabe einer Mitgliederliste oder eines Mitgliederverzeichnisses regelmäßig für im Vereinsinteresse erforderlich. Die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Beklagten, der einen bestimmten Zweck verfolgt, in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten. Die anderen Vereinsmitglieder haben es deshalb jedenfalls hinzunehmen, dass andere Vereinsmitglieder in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele an sie herantreten. Die Übermittlung der Daten an ein Vereinsmitglied ist für den Beklagten gemäß § 28 Abs. 8 BDSG i.V.m. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG auch ohne Einwilligung der Mitglieder zulässig. Ein Widerspruchsrecht sieht § 28 BDSG nur in Absatz 4 im Falle der Weitergabe für Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung vor. Dabei ist der Auskunftsanspruch nicht auf die Herausgabe an einen aufgrund seines Amtes, etwa als Rechtsanwalt oder Notar, zur Amtsverschwiegenheit verpflichteten Treuhänder beschränkt; der Schutz der Daten wird vielmehr dadurch ausreichend gewährleistet, dass das Vereinsmitglied die Mitgliederdaten nur im Rahmen seines berechtigten Auskunftsinteresses nutzen darf, wie sich aus § 28 Abs. 5 BDSG ergibt und durch den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 4 BDSG sanktioniert wird. Im Zivilrecht besteht kein Anlass, durch praeter legem zu entwickelnde Konstruktionen einen vermeintlich höheren Datenschutzstandard zu sichern, als ihn der Gesetzgeber des Bundesdatenschutzgesetzes für erforderlich gehalten hat.

[1] Vgl. Simitis in Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 28 Rn. 98; Gola/Schomerus 11. Aufl. 2012, § 28 Rn. 26, 27.
[2] Vgl. Taeger, BDSG, 2. Aufl. 2013, § 28 Rn. 55; Simitis in Simitis, § 28 Rn. 104; Gola/Schomerus, § 28 Rn. 24.