201713.06.

KG Berlin zum Streit mit Facebook: Datenschutz und digitales Erbrecht; Revision zugelassen

Das KG Berlin hat mit Urteil vom 31. Mai 2017 (Az. 21 U 9/16) die Klage einer Mutter abgewiesen, die einen erbrechtlichen Anspruch gegen Facebook auf den Zugang zum Facebook-Konto ihres verstorbenen Kindes durchsetzen wollte. Das Gericht war der Ansicht, dem Anspruch stände das Fernmeldegeheimnis entgegen, das durch die Einsichtnahme in die Kommunikation der Tochter mit Dritten verletzt würde.

Das KG Berlin befasste sich nicht abschließend mit der Frage, ob die Eltern des Kindes als Erben den Nutzungsvertrag mit Facebook übernommen hatten. Zwar sei es grundsätzlich möglich, dass die Übernahme des Nutzungsvertrages durch die Erben eingetreten sei, obgleich nur durch Erhalt eines passiven Leserechts anstelle eines aktiven Rechts auf die Fortführung des Profils. Insbesondere stände der Vererbung keine Regelung in den Nutzungsbedingungen von Facebook und auch nicht das wesentliche Leistungsprinzip eines solchen Nutzungsvertrages entgegen. Social Media-Netzwerke seien Kommunikationsplattformen und vermittelten nur Inhalte. Diese Leistung könne auch nach einem Todesfall unverändert und weiterhin angeboten und von den Erben beansprucht werden.

Andererseits gehe aus den Regelungen des deutschen Erbrechts nicht hervor, ob höchstpersönliche Rechtspositionen ohne vermögensrechtliche Auswirkungen vererbbar seien. Die Vererbung setze die Verkörperung im Eigentum des Verstorbenen voraus und könne deshalb nicht E-Mails und ähnliche lediglich virtuell existierende Gegebenheiten betreffen. Die Abgrenzung solcher Sachverhalte von den Fällen, in denen die Inhalte aufgrund ihres nicht nur höchstpersönlichen, sondern auch wirtschaftlichen Bezuges vermögensrechtlich bedeutsam und damit wiederum vererbbar seien, würde auf erhebliche Probleme und Abgrenzungsschwierigkeiten stoßen.

Deshalb verzichtete das KG Berlin auf die abschließende Beurteilung der erbrechtsbezogenen Fragen und widmete sich dem Fernmeldegeheimnis und den Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Das TKG habe ursprünglich nur Telefonanrufe betreffen wollen, das dem TKG zugrundeliegende Fernmeldegeheimnis in Art. 10 Grundgesetz stelle aber unabhängig davon eine objektive Wertentscheidung unserer Verfassung dar. Aus ihr ergäben sich weitergehende Schutzpflichten des Staates und auch privater Telekommunikationsdienstleister, um diese grundgesetzliche Wertentscheidung ausreichend abzubilden.

Das Gericht verweist auf eine Entscheidung des BVerfG vom 16.09.2009 (Az.: 2 BvR 9002/06), das den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses auf E-Mails ausweitete, die auf den Servern eines Diensteanbieters gespeichert sind. Es wurde eine grundsätzliche Schutzbedürftigkeit der Nutzer angenommen, der nicht die notwendigen technischen Möglichkeiten habe, um eine Weitergabe der E-Mails durch den Diensteanbieter zu verhindern. Diese Ausführungen seien entsprechend auf Kommunikationsverläufe anzuwenden, die bei Facebook gespeichert und ebenso nur für einen beschränkten Nutzerkreis bestimmt sind. Die Anwendung von gesetzlichen Ausnahmetatbeständen und die Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses durch das Erbrecht lehnte das KG Berlin entschieden ab.

Eine Besonderheit des verhandelten Sachverhalts ist der Umstand, dass die verstorbene Tochter der erbenden Mutter ihre Zugangsdaten vor dem Erbfall mitgeteilt hatte. Die klagende Mutter sah darin einen Verzicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses, wurde jedoch vom Gericht darauf hingewiesen, dass durch die Einsichtnahme auch das Fernmeldegeheimnis aller in den Kommunikationsverläufen abgebildeten Personen berührt und somit die Verzichtserklärung aller Betroffenen erforderlich wäre.

Damit wird eine rechtliche Hürde aufgestellt, die praktisch unmöglich zu überwinden ist. Nicht nur der nötige Aufwand für die Ermittlung der Betroffenen ohne vorherige Einsicht in das Benutzerkonto ist unermesslich. Selbst wenn dies praktisch möglich wäre, ist nicht davon auszugehen, dass ausnahmslos alle Beteiligten eine entsprechen Verzichterklärung abgeben und so jegliche private Daten einem Dritten zugänglich machen würden.

Das Gericht lehnte auch einen Zugangsanspruch außerhalb des Erbrechts, etwa aus dem Recht der elterlichen Fürsorge und dem Totenfürsorgerecht ab. Ersteres erlösche mit dem Tode des Kindes, während Letzteres nicht zur Begründung eines solchen Zugangsanspruchs dienen könne. Den durchaus verständlichen Wunsch der Eltern, die Umstände, die zum Tod ihres Kindes geführt haben zu erforschen, könne auch nicht mit Rücksicht auf das durchaus berührte allgemeine Persönlichkeitsrecht entsprochen werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht müsse dann auch vielfältige andere Ereignisse umfassen, womit es zu einem konturenlosen bzw. nicht mehr handhabbaren Grundrecht gewandelt würde.

Das Kammergericht hat die Revision zugelassen; man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.