201726.06.

OVG NRW: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen Unionsrecht

Die verdachtsunabhängige, flächendeckende Speicherung von IP-Adressen, zu der Internetprovider ab dem 1. Juli 2017 gemäß des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung vom Dezember 2015 verpflichtet sind, sei nicht mit Unionsrecht vereinbar. So entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss v. 22.06.2017 – Az. 13 B 238/17) im Eilverfahren, das der Internetprovider SpaceNet AG mit der Unterstützung des Verbandes der Internetwirtschaft (ECO) angestrengt hatte. Das Unternehmen SpaceNet ist somit von der Pflicht zur anlasslosen Speicherung ausgenommen.

SpaceNet hatte argumentiert, das Gesetz verletze Freiheits- und Schutzrechte, die durch die Grundrechtecharta der EU (GRCh) besonders geschützt seien, etwa die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit, den Schutz der Privatsphäre, des Familienlebens und auch den Schutz von personenbezogenen Daten. Das Verwaltungsgericht Köln folgte dieser Argumentation nicht und lehnte den Antrag SpaceNets auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab (VG Köln, Beschluss v. 25.01.2017 – Az.  9L 1009/16). Den Erfolg erreichte SpaceNet dann aber vor dem OVG des Landes NRW in Münster. Die Richter verwiesen auf die Entscheidungen des EuGH vom Dezember 2016 (Az.: C-203/15 u. C-698/15) in denen ein Verstoß der Vorratsdatenspeicherung gegen die europäische Datenschutzrichtlinie von 2002 festgestellt wurde und deuteten damit den wahrscheinlichen Ausgang im nun anstehenden Hauptverfahren an.

Obwohl nur SpaceNet von der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgenommen ist, hat das Unternehmen durch die Bemühungen wichtige Vorarbeit für andere Unternehmen geleistet, die nun mit einer gewissen Sicherheit dem Beispiel folgen könnten. Der Verein Digitale Gesellschaft hat in einer Stellungnahme alle Verbraucher dazu aufgerufen, bei ihren Internetprovidern die Gegenwehr zu fordern und entsprechend Druck aufzubauen.

Die Telekom argumentiert momentan vor dem VG Köln, die anlasslose Speicherung von IP-Adressen sei nicht geeignet, um die Strafverfolgung zu unterstützen. IP-Adressen würden nur begrenzt vergeben und besonders bei mehreren Nutzern, die nicht individuell identifizierbar seien, wie in den Fällen eines HotSpots, sei die Speicherung von weiteren Daten notwendig, aber nach geltender Rechtslage unzulässig.

Die Bundesregierung hat durch den erneuten Anlauf, eine flächendeckende, anlasslose Vorratsdatenspeicherung einzuführen, möglicherweise (Fehl-)Investitionen in Millionenhöhe in die für die Speicherung notwendige Infrastruktur durch die Internetprovider erzwungen. Ab dem 1. Juli sind die Provider mit der Ausnahme von aktuell SpaceNet jedenfalls dazu verpflichtet, ein unionsrechtswidriges Gesetz umzusetzen, um nicht die Verhängung von Bußgeldern durch die Bundesnetzagentur fürchten zu müssen. Es ist zwar denkbar, dass die Maßnahmen der Bundesnetzagentur bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage ausgesetzt werden, jedoch gibt es bisher keine offiziellen Stellungnahmen, die der nun geschaffenen großen Rechtsunsicherheit für Internetprovider entgegenwirken könnten.

In einer Stellungnahme äußerte sich der Verband ECO erfreut, der Vorstand Oliver Süme teilte mit:

„Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Aber jetzt ist es an der Zeit für eine Grundsatzentscheidung, um die Vorratsdatenspeicherung endgültig zu stoppen, andernfalls laufen die Unternehmen Gefahr, ein europarechts- und verfassungswidriges Gesetz umsetzen zu müssen und damit Gelder in Millionenhöhe in den Sand zu setzen. Die Vorratsdatenspeicherung ist eine netzpolitische Fehlentscheidung, vor der wir in der Vergangenheit immer wieder gewarnt haben und die vermeidbar gewesen wäre, wenn sich die Bundesregierung sorgfältiger mit den Einwänden der Wirtschaft auseinandergesetzt hätte“.

Und auch der Vorstand der SpaceNet AG, Sebastian von Bomhard, sieht die Position des Unternehmens SpaceNet bestätigt:

Es ist schön zu sehen, dass wir mit unserer Klage und dem Eilantrag den richtigen Weg gegangen sind. Auch wenn das Gericht formal zunächst nur über den Eilantrag entschieden hat, findet sich in der Urteilsbegründung einiges, was den Ausgang der Sache zu Gunsten der Position der Spacenet AG präjudiziert.