201605.01.

Digitaler Nachlass: Erben haben Anspruch auf Zugang zu Account von Verstorbenen

In einer aktuellen Entscheidung hat das Landgericht Berlin (Urteil vom 17.12.2015 – Az.: 20 O 172/15) geurteilt, dass Erben einen Anspruch gegen den Betreiber von Social Media Plattformen (hier: Facebook) auf Zugang zum Account eines Verstorbenen haben.

Zu Grunde lag dem Verfahren die Klage einer Erbengemeinschaft auf Zugang zum Facebook-Account einer fünfzehnjährigen Erblasserin.

In den Entscheidungsgründen führt das Gericht zunächst aus, dass es sich bei dem Nutzungsvertrag zwischen der Erblasserin und Facebook um einen typengemischen schuldrechtlichen Vertrag handelt, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft übergegangen ist:

Bei dem zwischen der Beklagten mit der Erblasserin geschlossenen Vertrag zur Nutzung der …-Dienste handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen. Dass keine Geldleistung vom Nutzer geschuldet wird, steht der schuldrechtlichen Natur nicht entgegen. Die sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten, mithin auch das Recht, Zugang zu dem Nutzerkonto zu haben, sind im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § BGB § 1922 BGB auf die Erbengemeinschaft übergegangen, denn das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge gilt auch für die höchstpersönlichen Daten im digitalen Nachlass des Erblassers.

Weiter führt das Gericht aus:

Die Ansicht, nach der nur die vermögensrechtlichen Teile des digitalen Nachlasses, nicht hingegen die nicht-vermögensrechtlichen vererblich sein sollen, ist abzulehnen, denn eine eindeutige Bestimmung des vermögensrechtlichen Charakters eines Teils des digitalen Nachlasses ist praktisch nicht möglich. Eine solche Differenzierung ist den erbrechtlichen Regelungen des BGB auch fremd, wie sich in § 2047 Abs. 2 BGB (Vererbbarkeit von Schriftstücken mit Bezug zu den persönlichen Verhältnissen des Erblassers) und § 2373 S. 2 BGB (Vererbbarkeit von „Familienpapieren und Familienbildern“) zeigt. Wenn Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers beziehen gemeinschaftlich bleiben, heißt das im Umkehrschluss, dass sie Teil des von der Erbengemeinschaft gemeinsamen verwalteten Nachlasses sind; entsprechendes folgt daraus, dass Familienpapiere und Familienbilder beim Erbschaftskauf im Zweifel nicht als mitverkauft anzusehen sind. Diese Regelung hat nur dann einen Anwendungsbereich, wenn die Familienpapiere und Familienbilder überhaupt Teil des Nachlasses sind.

Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Nachlasses lässt sich nicht rechtfertigen und würde dazu führen, dass Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private …-Nachrichten hingegen nicht. Im Übrigen muss auch ein Vermieter dem Erben den Zugang zur Wohnung des Erblassers verschaffen, ohne zuvor die Wohnung nach persönlichen und vermögensrechtlichen Gegenständen zu durchsuchen.

Nach Ansicht des Gerichts sind damit anderweitige Regelungen in den AGB von Facebook, die eine Vererbbarkeit des Accounts ausschließen, wegen unangemessner Benachteiligung nach §§ 305 ff. BGB unwirksam.