201605.08.

BVerfG: Wahre Tatsachenbehauptungen auf einem Firmenbewertungsportal sind grundsätzlich hinzunehmen

In einem aktuellen Beschluss vom 29. Juni 2016 (1 BvR 3487/14) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Mitteilung wahrer Tatsachenbehauptungen über Vorgänge aus der Sozialsphäre grundsätzlich hinzunehmen ist. Dies gelte auch, sofern sich die Tatsachen auf einen bereits drei Jahre zurückliegenden Rechtsstreit beziehen.

Ausgangspunkt der Entscheidung war ein Rechtsstreit, den der Beschwerdeführer drei Jahre zuvor mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens über Rückzahlungsansprüche aus einem gewerblichen Mietverhältnis führte. Im Zuge dieses Rechtsstreits schlossen die Parteien einen Vergleich, demzufolge der Kläger, welcher Betreiber einer Immobilienfirma ist, eine Zahlung in Höhe von 1.100,00 € an den Beschwerdeführer leisten sollte. Die vollständige Zahlung erfolgte jedoch erst nach Stellung einer Strafanzeige und Erteilung eines Zwangsvollstreckungsauftrags.

Drei Jahre später berichtete der Beschwerdeführer unter namentlicher Nennung des Klägers über die Geschehnisse auf einer Internetplattform, auf welcher Firmen gesucht und bewertet werden können. Hiergehen erhob der Kläger Unterlassungsklage, die vor dem Land- und Oberlandesgericht Erfolg hatte. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Das Bundesverfassungsgericht gab der Beschwerde mit seinem Beschluss statt. Es legte dar, dass die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit von den Fachgerichten nicht hinreichend gewürdigt worden sei.

Generell hat in Fällen wie diesen eine Interessenabwägung im Einzelfall zu erfolgen. Entscheidend ist, ob das Informationsinteresse der Allgemeinheit oder das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG überwiegt.

Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass die Behauptung wahrer Tatsachen über die Sozialphäre grundsätzlich hingenommen werden müsse. Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung werde regelmäßig erst dort überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Die angegriffenen Entscheidungen ließen nicht erkennen, dass dem Kläger ein unverhältnismäßiger Verlust an sozialer Achtung droht.

Zwar berühre die namentliche Nennung des Klägers des früheren Rechtsstreits auf dem Internetportal dessen Persönlichkeitsrecht. Jedoch handele es sich in diesem Fall nicht um eine ausreichend schwere Beeinträchtigung. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, hier ein öffentliches Informationsinteresse möglicher Kunden des Klägers zu bejahen.

Auch die erst drei Jahre später erfolgte Kundgabe der eigenen Meinung sei nicht zu beanstanden. Es würde den Beschwerdeführer unverhältnismäßig in seiner Meinungsfreiheit einschränken, wenn er nach einer solchen Zeitspanne von ihm erlebte unstreitig wahre Tatsachen nicht mehr äußern dürfte.

Das Bundesverfassungsgericht hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen.